"„Orlando“ könnte wunderbares Kino
sein. Eine Parodie auf das Kostümfilmgenre, ein politisches Pamphlet
gegen den Royalismus, eine Satire auf Künstlerallüren und eine Studie
über das Androgyne. Der Geschlechterwandel ließe sich allein an Tilda
Swintons Gesicht vollziehen, ganz zu schweigen von den zahlreichen
Erörterungen über Kunst und Leben. Sally Potter hat diesen Film leider
nicht gedreht.
„Orlando“, der Film, ist eine opulente Ausstattungsarie geworden, Kunstkino der edlen Sorte, gedreht auf einem Herrensitz bei
London, in Rußland und
Usbekistan.
Sally Potter hat Virginia Woolfs Gedankensprünge geordnet, die Wirrnis
sortiert und Mäander begradigt. Die Elemente erscheinen säuberlich
getrennt wie am dritten Schöpfungstag, Zwischentitel leisten
Orientierungshilfe: „Tod“, „Liebe“, „Poesie“, „Politik“.
Menschheitsthemen, bereichert um wohlfeile Wahrheiten über Frieden,
Freiheit und Feminismus. Als Diplomat ist Orlando gegen den Krieg, als
Frau für die Emanzipation. Dabei ist der Wille zur Überzeichnung
durchaus vorhanden, aber der qualitative Umschlag gelingt Sally Potter
nur selten: Zu sehr ist sie in ihre kostbaren Details verliebt.
Der Roman beginnt
immerhin damit, daß Orlando auf den vertrockneten Kopf eines Mohren
einsäbelt, der vom Dachbalken baumelt. Der Film ist um solche häßlichen
Bilder bereinigt. Der große Frost, die wohl berühmteste Romanpassage,
zerfällt bei Sally Potter in lauter tiefgefrorene Genrebilder und eisige
Stilleben. Aber keine einzige Fratze, kein elender Erfrierungstod. Auf
das Stichwort „Sex“ folgt Orlandos Liebesnacht mit Shelmerdine, einem
Lackaffen mit dunkler Lockenpracht, dazu ein bißchen nackte Haut bei
flackerndem Kaminfeuer. Aus Scheu vor dem Unreinen reduziert sich die
Erlesenheit der Bilder auf die pure Oberfläche, funkelnd, aber leer."
Mich hatte der Film berührt, weil die Geschichte so außergewöhnlich war. Aber fair enough,Zeit, ich muss wohl das Buch lesen!